Junge Frauen und technische Berufe:
Die Sicht der Unternehmen

Unternehmen aus Branchen mit einem geringen Frauenanteil stehen der Aufnahme von weiblichen Lehrlingen durchwegs positiv gegenüber. Das Potenzial von jungen Mädchen wird als sehr hoch eingeschätzt und die notwendigen – auch kulturellen – Veränderungen im Betrieb betrachtet man positiv.

Lehrlinge mit Potenzial finden

Manche Unternehmen finden geeignete Lehrlinge mehr oder weniger problemlos. Tendenziell stellt sich die Lehrlingssuche jedoch zunehmend als Herausforderung dar: Der Pool an geeigneten KandidatInnen scheint kleiner zu werden, beklagt wird vor allem der Mangel an mitgebrachten Kompetenzen. Als Problembereiche werden genannt: Kulturtechniken – vor allem Rechenkompetenzen – sind nicht ausreichend vorhanden, das handwerkliche Geschick fehlt und nicht alle BewerberInnen bringen eine Einstellung mit, die einen befriedigenden Verlauf der Lehre erwarten lässt.

Öffentlichkeitsarbeit

Wenn Unternehmen daran interessiert sind, auch weibliche Lehrlinge zu akquirieren, richten Sie ihre Öffentlichkeitsarbeit auch entsprechend aus. Plakate werden visuell und textlich entsprechend gestaltet, weibliche Mitarbeiterinnen werden als Role Models eingesetzt und eine Teilnahme am Girls Day ist selbstverständlich.

Image der Lehre

Natürlich steigen auch die Herausforderungen der Unternehmen an die BewerberInnen für eine Lehrstelle. Betriebe im technischen Bereich betonen ihr hohes Niveau, das eine Voraussetzung für das Bestehen am – meist internationalen – Markt erst möglich macht. Sie bedauern in diesem Zusammenhang auch, dass das Image einer Lehrausbildung der Realität in technischen Berufen nicht entspricht. Dadurch entscheiden sich junge Menschen – Mädchen stärker als Burschen – noch immer für einen weiteren Schulbesuch.

Konkurrenz durch mittlere und höhere Schulen

Lehrlingsausbildende Betriebe stehen in einem Wettbewerb, zum Teil mit anderen Unternehmen, da alle interessiert daran sind, junge Menschen mit hohem Potenzial für sich zu rekrutieren, aber in erster Linie natürlich mit der Schule. Nicht nur das Image der Lehre spielt eine Rolle, auch die Beliefs im Elternhaus, die gesellschaftlichen Aufstieg mit höherer Schulbildung assoziieren.

Junge Frauen verändern die Kommunikation

Die Erfahrung von Unternehmen zeigt, dass sich durch die vermehrte Aufnahme von jungen Frauen vor allem die Kommunikation und das Klima verändern. Ein „anderer Umgangston“ wird häufig als positiv hervorgehoben, der nicht nur bessere Teamleistungen möglich macht, sondern der auch in der Kommunikation mit KundInnen spürbar wird.

Mehr Potenzial

Personalverantwortliche sehen viel Potenzial bei jungen Frauen in technischen Berufen: Insgesamt werden ihnen sehr gute Lernleistungen zugesprochen, sie gelten insgesamt als „genauer“. Dies bezieht sich in der Arbeitsweise, sie werden als pünktlich beschrieben und mit guten Voraussetzungen in der Feinmotorik.

Klare Erwartungen

Betriebe vermuten, dass Mädchen, die sich für eine Lehre in einem „klassisch männlich“ besetzten Beruf entscheiden, bestimmte Haltungen mitbringen. Sie wissen, worauf sie sich einlassen, kennen das Berufsbild und die Anforderungen tendenziell besser als die männlichen Bewerber und sie „wollen das dann wirklich“. Frauen im technischen Bereich werden als pragmatisch beschrieben, sie erwarten nicht, dass spezielle Rücksichten genommen werden.

Arbeitssetting und Haltung überprüfen

Wenn ein Unternehmen weibliche Bewerberinnen für die Lehre stärker ansprechen möchte, sind unter Umständen Adaptierungen notwendig. Das Arbeitssetting sollte evaluiert und bewusst gestaltet werden, dies betrifft Arbeitsabläufe, Bürogestaltung und auch die Kommunikation. Auf der Haltungsebene ist es notwendig den jungen Frauen zu kommunizieren, dass man ihnen etwas zutraut. Frauen sind einerseits sehr selbstkritisch und stufen sich in ihren Kenntnissen und Kompetenzen schlechter ein als ihre männlichen Kollegen. Andererseits verharren auch Frauen selbst in traditionellen Denkhaltungen.

Kulturveränderung top-down umsetzen

Eine Änderung der Kultur kann die Voraussetzung für einen höheren Frauenanteil sein, sobald Mädchen im Betrieb tätig sind, ist eine Kulturveränderung jedenfalls eine logische Folge. Setzt das Unternehmen aktiv auf eine Veränderung der Kultur, muss dies als langfristiger Prozess betrachtet werden, der sich über mehrere Jahre ziehen kann. Als Voraussetzung für eine Kulturveränderung beschreiben Unternehmen einen sich daraus ergebenden Nutzen und das Wollen in den höchsten betrieblichen Hierarchieebenen. Kulturveränderungen müssen top-down umgesetzt und vorgelebt werden.

Otto Rath

Otto Rath Bildungsmanagement & Unternehmensberatung, www.ottorath.at

Infos

Befragt wurden im Herbst 2016 entlang eines Interviewleitfadens 10 Unternehmen aus Kärnten und aus der Steiermark aus Branchen mit einem Frauenanteil, der unter 30% liegt.