Interview mit Mag. Sandra Schachner, Referatsleiterin der Lehrlingsstelle – Förderungen, Wirtschaftskammer Kärnten

Unternehmen für Mädchen: Mädchen für eine Lehre in einem technischen Beruf zu gewinnen ist ein Anliegen der Wirtschaftskammer, wie auch die Palette an Förderungen und Maßnahmen in dieser Hinsicht zeigt. Warum verfolgt die Wirtschaftskammer diese Strategie? Welche Hoffnungen knüpfen sich daran?

Sandra Schachner: In Anbetracht des zukünftigen Fachkräftebedarfs braucht die Wirtschaft motivierte, talentierte und gut ausgebildete junge Menschen. Mädchen für die Technik und damit für technische Lehrberufe zu begeistern, ist eine riesige Möglichkeit vorhandenes Potential zu nutzen. Viele Mädchen bringen alle Begabungen mit, die erforderlich sind, um einen technischen Beruf zu erlernen, wie beispielsweise handwerkliches Geschick und Genauigkeit.

Unternehmen für Mädchen: Was tut die Wirtschaftskammer konkret, um Mädchen für eine Lehre in einem technischen Beruf zu begeistern?

Sandra Schachner: Die Wirtschaftskammer versucht die Vielfalt der Lehrberufe bekanntzumachen. Dies durch Schulvorträge, Messeauftritte, Teilnahme an Elternabenden und ähnlichem. Die Berufswahl wird sicherlich stark vom Elternhaus beeinflusst und je besser informiert die Eltern sind, desto höher sind die Chancen, dass die vielfältigen Möglichkeiten, die sich Mädchen in technischen Berufen bieten, erkannt werden und, dass gemeinsam fernab der typischen Mädchen-Lehrberufe eine Auswahl getroffen wird.

Im Rahmen der betrieblichen Lehrstellenförderung läuft derzeit ein Projekt mit dem MÄZ Mädchenzentrum und nennt sich Mädchen-Lehre-Technik . Unternehmen geben Einblick in Berufe mit einem Frauenanteil unter 30 %. Unter Beiziehung der bereits in den Unternehmen tätigen jungen Frauen, können interessierte Mädchen technische Berufe praktisch testen, sich mit den Frauen im Betrieb vernetzen und so einen Austausch pflegen über die Lehre, Lehrberufe, das Unternehmen, Bewerbungstipps und vieles mehr.

Unternehmen für Mädchen: Worauf ist in den Projekten und Maßnahmen besonders zu achten? Was ist Ihnen wichtig?

Sandra Schachner: Der Nutzen und die Zielgruppe der durchgeführten Projekte und Maßnahmen sind immer zu evaluieren. Konkrete Ergebnisse müssen hinterfragt werden, gibt es Verbesserungsmöglichkeiten, kann etwas Neues daraus entwickelt werden. Wie ist der Nutzen für die Projektteilnehmer, aber auch für andere (nicht am Projekt beteiligte) Unternehmen, Jugendliche etc. Und schließlich müssen positive Ergebnisse und Erkenntnisse auch anderen zur Verfügung gestellt werden. Viele Unternehmen können sich aufgrund ihrer Struktur kaum oder nur eingeschränkt mit gewissen Themenbereichen befassen, sind aber dennoch sehr interessiert. Auch ihnen muss die Möglichkeit geboten werden, etwas aus erprobten Projekten mitzunehmen. Sei es ein Denkanreiz, eine neue Idee, ein Verhaltensmuster oder gar ein ganzes Konzept. Gleich verhält es sich mit den Jugendlichen, auch sie sollten einen Denkanstoß erhalten, sich für Neues zu interessieren, keine Scheu haben etwas auszuprobieren und die Chance nützen, fernab überlieferter Rollenbilder, Lehrberufe auszuwählen.

Unternehmen für Mädchen: Unternehmen stehen vor dem Problem, dass sie die Berufswahlentscheidung, die ja stark von den Eltern beeinflusst wird, nicht ausreichend beeinflussen können. In anderen Worten, es wäre wünschenswert mit den Eltern stärker kommunizieren zu können. Wie könnte man die Eltern ansprechen?

Sandra Schachner: Seit 2012 gibt es das von der Wirtschaftskammer errichtete und vom Wifi betriebene TAZ Test- und Ausbildungszentrum. Hier werden Betriebe und Jugendliche zusammengeführt. Jugendlichen werden nach 23 Kriterien, die von Wirtschaftstreibenden erstellt wurden, getestet und erhalten nach Absolvierung des Parcours ein Stärkendiplom. Betriebe haben die Möglichkeit nach denselben 23 Kriterien ein Anforderungsprofil für zukünftige Lehrlinge zu hinterlegen. Testergebnisse der Jugendlichen und Anforderungsprofile der Betriebe werden im TAZ miteinander verglichen und so können Jugendliche sich bei passenden Betrieben um eine Lehrstelle bewerben. Bisher wurden bereits über 17.000 Jugendliche aus allen Schultypen getestet und sogar 92 % aller NMS – Klassen haben im Jahr 2016 den Testparcours erfolgreich absolviert! Diese konkreten Testergebnisse sprechen natürlich auch die Eltern an und bereichern familiäre Diskussionen um die Berufswahl!

Zudem sind Lehrstellen- und Ausbildungsberater kärntenweit unterwegs, um Betriebe, Lehrlinge, Schulen und auch Eltern über Lehrberufe, Berufsbilder, Ausbildungserfordernisse, Schnuppertage etc. bei verschiedensten Veranstaltungen zu informieren. Eine Lehre bietet hervorragende Karrieremöglichkeiten. Vier von zehn Absolventinnen oder Absolventen übernehmen eine Führungsposition und nahezu jede zweite Unternehmerlaufbahn beginnt in Kärnten mit einer Lehre! Eine entsprechende Bewusstseinsbildung ist unumgänglich, wobei die Eltern dabei ein ganz maßgeblicher Faktor sind und unbedingt ins Boot geholt werden müssen.

Unternehmen für Mädchen: Unternehmen für Mädchen fokussiert auch die Mädchen mit Migrationshintergrund. Wo sehen Sie in diesem Kontext die größten Herausforderungen?

Sandra Schachner: Eine gut unterstütze und schnelle Integration von Jugendlichen mit Migrationshintergrund in den österreichischen Arbeitsmarkt ist auch aufgrund des herrschenden Fachkräftemangels das Ziel. Naturgemäß stellt vielfach die Bewältigung sprachlicher Hürden eine große Herausforderung dar. Glücklicherweise haben wir im Rahmen von Lehre Fördern Möglichkeiten vom Betrieb bezahlte Nachhilfestunden zu fördern, zudem können wir über Lehre statt Leere kostenloses gendersensibles Coaching durch externe Experten sowohl für Lehrlinge als auch für Betriebe anbieten.

Unternehmen für Mädchen: Jugendstudien zeigen unter anderem, dass jene Jugendlichen, die jetzt eine Lehre beginnen, hohe Ansprüche an die Lehrausbildung haben, dass sie aber gleichzeitig großen Wert auf ihre Freizeit legen. Worin unterscheidet sich die Generation 2000+ aus Ihrer Sicht von Lehrlingsgenerationen davor?

Sandra Schachner: Das Thema Work-Life-Balance ist bei den Jugendlichen aktueller denn je. Job, Familie, Freizeit, alles hat einen hohen Stellenwert. Gleichzeitig leben Jugendliche in einer hochtechnisierten Welt, die sie umgibt. Wissen – und Informationen sind rund um die Uhr ortsungebunden abrufbar. Umso mehr Wert legen Jugendliche auf Auszeiten zum Abschalten, sich sammeln. Vielleicht kein schlechter Ansatz um all den Reizüberflutungen entgegen zu wirken…

Nicht übersehen werden darf aber, dass die Anforderungen in der Arbeitswelt, bedingt durch den technologischen Fortschritt, weiter steigen und sich die Jugendlichen diesen neuen Arbeitsbedingungen auch stellen müssen und ihnen hohe Leistungen abverlangt werden.

Erwähnenswert ist auch, dass im Gegenzug dafür seitens der Unternehmen, aber auch von dritten Personen und Stakeholdern, viel getan wird, um Qualität und Aktualität der Lehrberufe auf dem höchsten Stand zu halten, sei es durch Fördermöglichkeiten, Coachings, Fortbildungsmöglichkeiten, Beratungsleistungen oder die ständige Anpassung von Lehrberufen an die technische Entwicklung.

Unternehmen für Mädchen: Was würden Sie Unternehmen aus traditionell männerdominierten Branchen empfehlen, die zukünftig verstärkt Mädchen als Lehrlinge ansprechen möchten?

Sandra Schachner: Ein Unternehmen sollte sich positionieren, angeben wofür es steht, worauf das Unternehmen besonderen Wert legt und vor allem, wodurch man sich von anderen Unternehmen abhebt. Die Motivation und Offenheit des Unternehmens weibliche Lehrlinge auszubilden sollte hervorgehoben werden. Mädchen schätzen Strukturen und Perspektiven, aber ganz besonders wichtig ist sicherlich ein positives Arbeitsklima.

Viele Betriebe bilden bereits gerne und erfolgreich Mädchen in typischen Männerberufen aus und schätzen nicht nur unter anderem die Genauigkeit und das Geschick, welches Mädchen vielfach mit sich bringen, sondern ebenso die positive Auswirkung auf das Betriebsklima.

Wirtschaftskammer KŠrnten - MitarbeiterportrŠt Mag. Sandra Widoutz, Lehrlingsstelle ©fritzpress

Mag. Sandra Schachner

Referatsleitung, Lehrlingsstelle – Förderungen, Wirtschaftskammer Kärnten